Warum wir über Baustoffdaten sprechen müssen
Die EU-Bauprodukteverordnung (CPR) 305/2011 wurde im Dezember stark erweitert neu herausgegeben und wird als Teil des ersten Legislativpaketes zum „European Green Deal“ gemeinsam mit neuen Anforderungen aus der Lieferkettengesetzgebung tiefgreifende Veränderungen in der Baubranche auslösen:
Ab 2027 wird der Digitale Produktpass (DPP) für viele Produktgruppen verpflichtend – beginnend mit den ersten Produktgruppen ab 2028 auch für Bauprodukte. Dies, und die Umsetzung der EU-Gebäuderichtline ab 2028 bedeuten: Baustoffe müssen umfassend dokumentiert und ihre Umwelteinflüsse transparent sowie maschinenlesbar gemacht werden. Im Zentrum steht dabei die Environmental Product Declaration (EPD) – die Umwelt-Produktdeklaration für Baustoffe.
Was ist eine EPD – und was bringt sie?
Eine EPD (Environmental Product Declaration) ist ein standardisiertes Dokument, das die ökologischen Auswirkungen eines Baustoffs über dessen gesamten Lebenszyklus beschreibt – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwertung. Sie bildet die Grundlage für eine nachhaltige Planung und Bewertung von Gebäuden.
Aber: Bisher lagen EPDs häufig nur als PDFs vor – strukturiert maschinenlesbare Formate existieren zwar bereits (z. B. XML-basiert in unterschiedlichen Ausführungen), werden aber noch nicht flächendeckend genutzt oder sind schwer zugänglich.
Vom PDF zur Datenbank: Das Projekt im Überblick
Im Zuge des Tiroler Landesprojekts bauWertInfoBasis – Informationssysteme für ökologische Bauwerksoptimierung – F.48387/11-2023 hat es sich ein interdisziplinäres Team rund um Otto Handle (inndata Datentechnik Gmbh, Innsbruck) zur Aufgabe gemacht, EPD-Daten digital zugänglich, verknüpfbar und standardisiert aufzubereiten. Ziel ist die Vorbereitung auf die kommenden Anforderungen des Digitalen Produktpasses (DPP) ab 2028.
Zentrale Herausforderungen:
- Europaweit sind Millionen Unternehmen betroffen – allein in der Baubranche besteht ein enormer Standardisierungsbedarf.
- Unterschiedliche Systeme und hohe Kosten je nach verwendetem Standard erschweren die Umsetzung.
- Einheitlicher Zugang zu EPD-Daten fehlt bisher.
Lösungsansätze:
- Aufbau einer Datenbank für maschinenlesbare EPD-Daten, verknüpft mit Herstellercodes und Bereitstellung der Daten in einheitlicher, maschinenlesbarer Form – aktuell über den Circular Economy Data Space des datahub.tirol und auch über neue Funktionen des Industriedatenpools
- Integration in Planungssoftware über Portale wie die Projektwebsite baudigital.info
- Systemunabhängige Nutzung in beliebigen Softwareumgebungen, von BIM über DataSpace, LCA Software und Onlinesysteme bis hin zu MS Teams.
- Niederschwelliger Zugang für Architekt:innen sowie andere Planende, um ökologische Gebäudeentscheidungen datenbasiert treffen zu können
Warum das Ganze? Nachhaltigkeit richtig berechnen
Bisherige Bewertungsmethoden – etwa der Energieausweis – greifen zu kurz.
Die Realität zeigt: Mehr Dämmung spart zwar Heizenergie, kann aber durch höheren Materialeinsatz ökologische Nachteile mit sich bringen.
Deshalb geht das Projekt einen Schritt weiter:
„Das Projekt ermöglicht die rasche und ressourcenschonende Berechnung, welche die ökologisch und ökonomisch optimale Bauweise unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus ist – inklusive Rückbau und Recycling.“ – Bmstr. Ing. Otto Handle, inndata Datentechnik GmbH
Durch die Kombination von digitalem Gebäudemodell und standardisierten EPD-Daten wird eine echte Gesamtoptimierung möglich – nicht nur für Neubauten, sondern auch für Sanierung und Kreislaufwirtschaft.
Standardisierung ist der Schlüssel
Der europäische Green Deal zielt darauf ab, durch Datentransparenz eine Basis für ökologische Innovation zu schaffen. Die vereinheitlichte, systemoffene Bereitstellung maschinenlesbarer EPD-Daten im Projekt stellt einen wertvollen ersten Schritt dar, um Planenden und Ingenieuren niederschwellig und kostengünstig bei der Berechnung zur Seite zu stehen. Weil das Projekt bereits heute mit dem datahub.tirol integriert wurde, kann hier die künftige Entwicklung des „common european dataspace“ – eine weitere Kernstrategie der europäischen Union – schon vorweggenommen und damit Zukunftssicherheit gewährleistet werden.
„Ohne einheitliche Datenformate, Datenstandards und offene Schnittstellen wird das alles nicht funktionieren.“ – Mag.a Veronika Kocher, Data Intelligence Offensive
Standardisierung ist im Kontext der digitalen Transformation der Baubranche unerlässlich, da sie die Grundlage für Interoperabilität, Vergleichbarkeit und Effizienz bildet. Und die Environmental Product Declarations (EPDs) sind ein gutes Beispiel hierfür da sie die detaillierten Informationen über die Umweltauswirkungen von Bauprodukten über deren gesamten Lebenszyklus liefern. Durch die Standardisierung dieser Daten gemäß internationalen Normen wie ISO 14025 (Umweltdeklarationen – Grundsätze und Verfahren) und EN 15804 (Umweltdeklarationen für Bauprodukte und Bauleistungen) wird sichergestellt, dass sie konsistent, vergleichbar und maschinenlesbar sind.
Die Integration von EPD-Daten in digitale Planungsprozesse, insbesondere Building Information Modeling (BIM), ermöglicht so eine präzise ökologische Bewertung von Bauprojekten bereits in der Entwurfsphase. Dies unterstützt Architekt:innen und Planer:innen dabei, fundierte Entscheidungen hinsichtlich Materialwahl und Konstruktion zu treffen, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu optimieren.
Die Nutzung von Data Spaces, bietet da einen strukturierten Rahmen für den sicheren und effizienten Austausch dieser standardisierten Daten. Solche Datenräume fördern die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren der Baubranche, indem sie den Zugang zu verlässlichen Informationen erleichtern und gleichzeitig Datenschutz sowie Datensouveränität gewährleisten.
Die Standardisierung von EPD-Daten ist nicht nur ein technisches Thema, sondern eine zentrale Voraussetzung, damit der Digitale Produktpass europaweit funktioniert, weil sie einen wesentlichen Teil der im DPP nachzuweisenden Umwelteinflussdaten von Produkten darstellt. Nur durch einheitliche Formate und zuverlässige, leicht zugängliche Bereitstellung lassen sich Produkt- und Umweltdaten entlang der gesamten Lieferkette transparent nachverfolgen.
Der Digitale Produktpass kommt – Tirols Bauwirtschaft ist vorbereitet
Das Projekt zeigt, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können – und warum es sinnvoll ist, schon heute mit der Umstellung auf digitale, standardisierte Baustoffdaten zu beginnen.
„Die Digitalisierung von Baustoffdaten ist ein wesentlicher Schritt, um Unternehmen auf kommende regulatorische Anforderungen wie den Digitalen Produktpass und den Green Deal vorzubereiten. Als assoziierter Partner unterstützen wir im datahub.tirol die Bereitstellung standardisierter, maschinenlesbarer Umweltdaten und schaffen damit die Grundlage für belastbare, skalierbare Geschäftsmodelle in der Bauwirtschaft. Die Daten sind dabei sowohl in den regionalen Data Space des datahub.tirol als auch in den Circular Economy Data Space der Data Intelligence Offensive (DIO) integriert – und tragen so zur europaweiten Vernetzung nachhaltiger Materialkreisläufe bei. Projekte wie dieses zeigen, wie wir durch sichere, interoperable Datenräume konkrete Wettbewerbsvorteile für Tirols Unternehmen im europäischen Datenökosystem realisieren.“ – MMag. Fritz Fahringer, datahub.tirol
Baumeister Otto Handle wurde von der Bundesinnung Baugewerbe und Austrian Standards International in die nationale und europäische Standardisierung der künftigen Digitalen Hilfsmittel des Green Deal – nämlich der maschinenlesbaren Leistungserklärung nach CPR und dem ab 2028 für beinahe alle Produktgruppen verpflichtend werdenden Digitalen Produktpass – entsandt. Basierend auf dem Projekt BauWertInfoBasis sollen diese Entwicklungen künftig vom Lead Partner inndata Datentechnik der Tiroler und Österreichischen Bauwirtschaft ebenfalls zugänglich gemacht werden, wobei die erfolgreiche Projektkooperation mit ETIM Austria und Fa. RiederTech sowie dem datahub.tirol fortgesetzt wird.
Weitere Informationen:
- Presseaussendung: Projekt „bauWertInfoBasis“ macht Baustoff-Daten fit für die Zukunft
- https://baudigital.info/
- https://www.datahub.tirol/
- https://dataintelligence.at/